WELT-Interview zu Schwarzarbeit und Cannabis-Gesetz

Mehr Investitionen in den Zoll nötig

Laut neuesten Schätzung von Ökonomen hat das Ausmaß der Schwarzarbeit in Deutschland erneut zugenommen. Problematisch sind v.a. die organisierten Formen, gegen die die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) ermittelt. Die FKS stehe beispielhaft für ausgebliebene Investitionen in der gesamten Zollverwaltung, sagte der BDZ-Bundesvorsitzende Thomas Liebel im Interview mit WELT. Während der politische Apparat in den Ministerien anwächst, bleibt der operative Bereich auf der Strecke. Währenddessen legt der Bundestag mit der Legalisierung von Cannabis weiteren Vollzugsaufwand für andere Sachgebiete oben drauf.

22. Februar 2024
  • Thomas Liebel im Interview mit WELT TV

In den offiziellen Mitteilungen aus dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) zeigte man sich im Rahmen der Jahresbilanz zur FKS zufrieden, da die Zahl der durchgeführten Verfahren gesunken ist. Im Vergleich zu den Vorjahren sind viele der registrierten Fälle rückläufig, da auch die Zahl der Arbeitgeberprüfungen um rund 20 Prozent zurückgegangen ist – u.a. infolgedessen, dass sich der BDZ für die Abschaffung der starren Prüfquote erfolgreich eingesetzt hatte. Die Schadenssumme im Rahmen der straf- und bußgeldrechtlichen Ermittlungen ist gegenüber dem Vorjahr in ähnlichem Umfang gesunken. Wenig überraschend für den BDZ, der seit Jahren auf die geringe Aussagekraft solcher Statistiken hinweist, vermuten Fachleute jedoch einen massiven Anstieg der Schwarzarbeit im Rahmen der Dunkelziffern. Nach Schätzung der für das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) forschenden Professoren Schneider und Boockmann sei die Schattenwirtschaft in Deutschland im Jahr 2024 um rund 40 Milliarden auf einen volkswirtschaftliches Volumen von 463 Milliarden Euro angestiegen. Dies seien rund 11 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Der Anstieg folge einem noch stärken Zuwachs aus dem Vorjahr, so die Ökonomen.

Auf Anfrage der WELT äußerte sich der BDZ-Bundesvorsitzende Thomas Liebel im TV ausführlich zum Boom bei der Schwarzarbeit und zur Notwendigkeit von personellen und materiellen Investitionen in die Zollverwaltung. Der 5-minütige Clip kann in der WELT-Mediathek abgerufen werden:  „Wir machen es den Kriminellen bei Schwarzarbeit sehr leicht“ - Video - WELT

Zu viele Beamte in Deutschland? Nicht im Zollvollzugsdienst!

Wie könne es an Kontrollpersonal fehlen, wenn der deutsche Beamtenapparat – laut Verlautbarungen der Opposition im Bundestag – doch so aufgebläht sei wie nie zuvor, wollten die Moderatoren/-innen wissen. Liebel stellte klar, dass der Vollzugsbereich der Zollverwaltung, hier unter anderem die FKS, nicht von einer massiven Stärkung betroffen sei. Wie in vielen Sachgebieten haben wir hier hohe Personalfluktuation, die Kolleginnen und Kollegen werden für die anspruchsvollen Tätigkeiten und komplexen Ermittlungen nicht angemessen bezahlt und ihnen fehlen moderne Arbeitsmittel. Gerade den organisierten Formen der Schwarzarbeit, die im Rahmen von Firmengeflechten mit ausländischen Briefkastenfirmen und Kettenbetrug stattfinden, kann man nur mit langwierigen und personalintensiven Ermittlungen habhaft werden. Wie akut das Problem ist, wurde am gestrigen 21.02.2024 parallel im Rahmen einer groß angelegten Razzia der Hauptzollämter Gießen und Darmstadt sichtbar. Mehr als 800 Einsatzkräfte durchsuchten 90 Wohn- und Geschäftsräume in vier Bundesländern und zerschlugen nach langen Vorermittlungen einen mutmaßlichen Schwarzarbeitsring, der anscheinend in einen entsprechenden Kettenbetrugsfall verwickelt war.

Bundestag billigt „Bubatz“ – und weiteren Mehraufwand?

Am Freitag, 23.02.2024, steht nach langen Diskussionen die finale Abstimmung über den „Gesetzentwurf zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Cannabisgesetz - CanG) zur Abstimmung. Mit dem Gesetz soll Erwachsenen künftig der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum im privaten Raum und bis zu 25 Gramm im öffentlichen Raum erlaubt werden. Nicht nur für Polizei und Justiz, sondern auch für den Zoll, bedeutet dies einen bürokratischen Mehraufwand.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte sich jüngst für ein Werbeposting der Bundesregierung rechtfertigen müssen, nach dem „Bubatz“ legal würde. Die aufgeheizte mediale Debatte setzte sich am Mittwoch, 21.02.2024, in einer turbulenten Sitzung des Gesundheitsausschusses, in der noch verschiedene Änderungen zum Ursprungsentwurf beschlossen wurden, fort. Denn das Cannabis-Vorhaben ist selbst in der regierenden Ampel-Koalition höchst umstritten. Die führenden Innenpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion, Fiedler und Hartmann, hatten ihren Fraktionskollegen in einem Brandbrief geraten, sich gegen das Gesetz zu stellen. Die Begründung überschneidet sich wesentlich mit der Argumentation, die der BDZ bereits vor über einem Jahr in seiner Stellungnahme zum ursprünglichen Eckpunktepapier der Bundesregierung dargelegt und daraufhin immer wieder betont hat: Die vorgeschlagenen Regelungen schaffen ein Bürokratiemonster, lassen die Frage der Kontrolle durch die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern offen und werden sich als Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt entpuppen. Selbst der Vorsitzende des Innenausschusses, Lars Castellucci (SPD), lehnt das Cannabis-Gesetz ab und will dagegen stimmen, da es an Jugendschutz und Kontrolle fehle. Man geht von einer zweistelligen Anzahl von Abweichlern in der SPD-Fraktion aus.

Die in der bisherigen medialen Debatte noch unterbelichteten Aspekte der Cannabis-Legalisierung insbesondere für die Zollämter, sowie die Sachgebiete B und C rücken mit dem Gesetz einen Schritt näher:

Zum einen wird die Legalisierung zu einer Ausweitung der Konsumanreize für alle THC-haltigen Produkte führen, was eine massive Zunahme des heute schon regen Handels im Post- und Paktversand bewirken wird. Dieser soll auch unter der neuen Rechtslage verboten bleiben, jedoch nur als Ordnungswidrigkeit geahndet werden (vgl. Art. 1 § 36 Abs. 1 Nr. 17 CanG). Der Bundesrat hatte diese Regelung bereits kritisiert und darauf hingewiesen, dass hiermit dem illegalen Versandmarkt neue Möglichkeiten eröffnet werden. Gerade für Jugendliche sei diese Bezugsquelle attraktiv. Wie hier die zollamtliche Kontrolle und Beschau angesichts der enormen Zunahme im Warenumschlag geschehen soll, bleibt ein Rätsel.

Zum anderen wird die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Formen von Cannabis – sowohl mit Blick auf die erlaubte Menge, als auch die Beschaffenheit der Substanz – in der Praxis nahezu unmöglich werden. Denn die neuen Anbauvereinigungen dürfen kein Cannabis weitergeben, das vermischt bzw. vermengt ist mit Tabak, Lebensmitteln, oder sonstigen Zutaten – ein Zuwiderhandeln gilt erneut als Ordnungswidrigkeit (vgl. Art. 1 § 21 Abs. 1 CanG i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 22 CanG). Die Beschränkung auf das rauchbare Cannabis wird aber unter den Konsumenten/-innen nur auf geringe Akzeptanz stoßen. Der nach allen Legalisierungserfahrungen anderer Länder zu erwartende Anstieg von Vapes, Edibles und Liquids wird den Sachgebieten C, die im Rahmen ihrer Kontrollen entsprechende Funde machen, gewaltige Abgrenzungsprobleme bereiten.

Für die Sachgebiete B droht wiederum die angekündigte Verbrauchsteuer auf Cannabis. Diese wurde im Rahmen des kommerziellen Vertriebs in den angekündigten Modellregionen diskutiert und war ein Hauptargument der Regierung, um die gesundheitspolitische „Lenkungswirkung“ des Drogenkonsums weiter zu gewährleisten. Lange war davon nichts mehr zu hören. Angesichts des politischen Debakels um die vielen Widersprüche der Teil-Legalisierung im aktuellen Gesetzentwurf bekommt jedoch die ursprüngliche Idee der Voll-Legalisierung wieder neuen Aufwind.

Man darf gespannt sein, wie die Abstimmung im Bundestag und die öffentliche Debatte weiter verläuft. Trotz aller Kritik steht der BDZ den Drogenpolitiker/-innen der Parteien weiterhin als konstruktiver Ansprechpartner zur Verfügung, sofern diese künftig an Gesprächen mit jenen interessiert sind, die ihre Gesetze umsetzen müssen.

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